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Ilja Leonard Pfeijffer ist Dichter und Schriftsteller. Er hat sich in nahezu allen erdenklichen literarischen Gattungen hervorgetan, zählt zu den meist gefeierten Autoren des niederländischen Sprachraums und gilt als eine der zwingendsten Stimmen der zeitgenössischen niederländischen Literatur. Pfeijffer hat über vierzig Titel veröffentlicht, darunter Gedichte, Romane, Kurzgeschichten, Theatertexte, Essays, wissenschaftliche Studien, Kolumnen, Übersetzungen und Anthologien. Stilistische Meisterschaft und klassische Formbeherrschung stellt er in den Dienst einer literarischen Erneuerung und eines zunehmenden Engagements, das auch in seiner Tätigkeit als Kolumnist und Dokumentarfilmer für das Fernsehen explizit zum Ausdruck kommt.

Wer sein facettenreiches Werk nach Konstanten durchsucht, wird – abgesehen von der Musikalität und Ausdruckskraft seiner Sätze und seiner stilistischen Geschmeidigkeit – hervorheben, dass er in vielen seiner Texte auf jeweils eigene Weise die Spannung zwischen Fakt und Fiktion untersucht – nicht nur als literarisches Spiel, sondern vor allem als Suche nach den verblassenden Grenzen zwischen Phantasie und Realität, die ein fesselndes und beunruhigendes Merkmal der modernen Gesellschaft sind. Dabei wird der Akt des Schreibens, Dichtens oder Erzählens nie verhüllt, als wäre dieser eine Selbstverständlichkeit, sondern sehr häufig explizit thematisiert und begründet, wie der Architekt des Centre Pompidou in Paris, der die Infrastruktur des Gebäudes auffällig an dessen Außenseite angebracht hat. Damit wird sein Werk innovativ, mehrschichtig und verräterisch.

Pfeijffer wurde 1968 in Rijswijk östlich von Den Haag geboren. Er studierte Klassische Philologie an der Universität Leiden, wo er 1996 mit einer Dissertation über den frühzeitlichen griechischen Dichter Pindar promoviert wurde und bis 2004 als Literaturwissenschaftler und Dozent für Altgriechisch tätig war. 2008 zog er in die norditalienische Hafenstadt Genua, in der er bis heute lebt und arbeitet.

Seine erste Sammlung mit Gedichten Van de vierkante man (Vom quadratischen Mann, 1998) wurde mit dem C.-Buddingh’-Preis ausgezeichnet, sein Romandebüt Rupert, een bekentenis (Rupert, ein Geständnis, 2002) mit dem Anton-Wachter-Preis. Er ist der einzige niederländischsprachige Autor, der sowohl für Poesie als auch für Prosa den wichtigsten Debütpreis verliehen bekam. Nach seiner dritten Gedichtsammlung erhielt Pfeijffer 2002 den Literaturpreis von Nordrhein-Westfalen für sein lyrisches Oeuvre. Sein zweiter Roman, Het grote baggerboek (Das große Baggerbuch, 2004), erregte durch sein kompromissloses Sprachexperiment Aufsehen und wurde für große niederländische und belgische Preise für das beste Buch des Jahres sowie für den “Gouden Doerian” für das schlechteste Buch nominiert. Der Preis, den er letztlich gewann, war der der Literaturzeitschrift “Tzum” für den besten literarischen Satz des Jahres.

Nach dem komplexen und vielstimmigen Roman Het ware leven, een roman (Das wahre Leben. Ein Roman, 2006) brach Pfeijffer mit La Superba (Das schönste Mädchen von Genua, 2013) auch international durch. Dieser Roman um das Thema der Migration, dessen Handlung in Genua spielt, wurde mit dem Libris-Literaturpreis, dem prestigeträchtigen, alle fünf Jahre ausgelobten Preis der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien und erneut mit dem Tzumpreis für den besten Satz ausgezeichnet, den er als einziger Autor somit zweimal gewonnen hat. Das Buch wurde zum Bestseller und erschien in mehreren Ländern, darunter in den Vereinigten Staaten, Deutschland und Italien.

Zeichneten sich seine frühen Gedichte noch durch barocke Fülle, Bravour, freie Formen und gebieterische orakelhafte Unklarheit aus, so bekannte er sich in den Gedichten, die er unter dem klaren Licht seines neuen Wohnsitzes Genua schrieb, zu der Musikalität von Reim und Metrum und zur monumentalen Aussagekraft klassischen Formenreichtums. 2015 schrieb er den Geschenkband zur Woche des Gedichts Giro giro tondo, een obsessie (Giro giro tondo, eine Obsession), einen klassischen Sonnettenkranz über den zynischen Zyklus der Liebe. Gleichzeitig erschien der Gedichtband Idyllen, nieuwe poëzie (Idyllen, neue Poesie), fünfzig längere, erzählende Gedichte in reimenden Alexandrinern über das Meer, in denen poetische Aussagekraft mit politischem und gesellschaftlichem Engagement verbunden werden. Pfeijffer gewann damit alle Preise, die es zu gewinnen gab, darunter den jährlich ausgelobten VSB-Poesiepreis für den besten niederländischsprachigen Gedichtband des Vorjahres, und der Band wurde zum Bestseller. Er ist einer der sehr wenigen Autoren, die sowohl für Prosa als auch für Poesie die größten alljährlichen Preise verliehen bekamen.

Seine Laufbahn als Bühnenautor nahm 2007 in Gestalt einer Zusammenarbeit mit dem Theaterensemble “Annette Speelt” (Annette Spielt) ihren Anfang, für das er zwei Stücke schrieb. In Genua verfasste er zwei Stücke auf Italienisch, und in den Niederlanden arbeitete er mit dem “Nationaal Toneel” und der “Toneelgroep Maastricht” zusammen, deren fester Hausautor er mittlerweile ist. Der Sprachreichtum und die dramatische Kraft seiner Theaterstücke sind mit denen Shakespeares verglichen worden. In 2017 wurde sein Stuck Der Rechtsanwalt mit dem wichtigsten niederländischen und belgischen Preis für dramaturgie ausgezeichnet, womit er in allen drei den tradizionellen literarischen Genres, Lyrik, Prosa und Drama, anerkannt worden ist. Seine sämtliche Werke für Theater sind im monumentalen Buch De veelstemmige man (Der vielstimmige Mann, 2020) herausgegeben worden.

Seit 2006 ist er der feste Songtexter der Sängerin Ellen ten Damme. Ihr gemeinsames Album Durf jij? (Traust Du Dich?) wurde mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Pfeijffer veröffentlichte Essays über Poesie, und als Anthologist besorgte er die Übersicht über die moderne niederländische Poesie mit dem Titel De Nederlandse poëzie van de twintigste en eenentwintigse eeuw in 1000 en enige gedichten (Die niederländische Poesie des 20. und 21. Jahrhunderts in tausend und ein paar Gedichten, 2016).

Dem für sein Schaffen kennzeichnenden gesellschaftlichen Engagement wurde 2015 in Gestalt des E.-du-Perron-Preises Anerkennung zuteil, den Pfeijffer für den Gedichtband Idyllen, für die Kolumnen und für Gelukszoekers (Glücksritter), einer Sammlung von Texten über Immigration, erhielt.

Unter seinen aktuelleren Arbeiten befinden sich Brieven uit Genua (Briefe aus Genua, 2016), eine Autobiografie in Briefform, und der Roman Peachez, een romance (Peachez, eine Romanze, 2017) über das komplexe Verhältnis zwischen Phantasie und Realität in Liebe und Glauben. Der Roman wurde als romantischstes Buch des Jahres bezeichnet. Das Buch wurde mit Erfolg sowohl für die Bühne als fürs Kino bearbeitet.

Ende 2018 erschien sein großer Roman Grand Hotel Europa über die Liebe in Zeiten des Massentourismus, die europäische Identität, Nostalgie und das Ende einer Ära. Das Buch wurde in der niederländischen und belgischen Presse applaudiert und wurde sofort zum Bestseller. Es war das meistverkaufte niederländische Buch des Jahres 2019 und erhielt das Goldene Buch. Die Übersetzungsrechte werden an mehr als zwanzig Ländern verkauft.

Als die Welt im Frühjahr 2020 aufgrund des Sars-CoV-2-Virus Opfer einer Pandemie wurde und Norditalien zu den am stärksten betroffenen Gebieten der Welt gehörte, berichtete Ilja Leonard Pfeijffer, die in der norditalienischen Stadt Genua lebt, fast live für die nierländischen und belgischen Zeitungen in Journalform. Das Tagebuch is mit dem Titel Quarantaine, Dagboek in tijden van besmetting (Quarantäne, Tagebuch in Zeiten der Kontamination, 2020) herausgegeben worden.

Ilja Leonard Pfeijffer wird Ehrengast der Buchwoche in den Niederlanden 2022 und Autor des Romans, der in einer Auflage von 800.000 Exemplaren vertrieben wird.